Hallo Kay,
ich habe mein TS 35 nicht oft im Einsatz, bin aber mit den Möglichkeiten und Leistungen sehr zufrieden.
Wegen der Verstellbarkeit (Shift) ist es einsetzbar wie ein 28- oder sogar 24mm-Objektiv, wobei die unwichtigen Bereiche (z.B. Vordergrund) einfach wegfallen. Gerade bei Dias ist das frappierend.
Wichtig ist eine genaue Scharfstellung. Man kann Tilt- und Shiftfunktion natürlich kombinieren (bis zum Ende der weißen Skala, im anschließenden roten Einstellbereich kann es Abschattungen geben). Einfacher einzustellen und besser im Ergebnis ist es allerdings, wenn man beides einzeln nutzt. Es ist ja auch selten nötig, ein geradegestelltes Gebäude, das ja fast im Unendlichbereich steht, auch noch per Schärfedehnung (Tilt) weiter in die Schärfe zu rücken. Meist reicht Abblenden schon aus.
Effektvoller ist der umgekehrte Bereich, der seit enigen Jahren verstärkt im Kino und in der Werbung zu sehen ist, nämlich der Einsatz extrem schmaler Schärfenzonen.
Das erfordert einige Übung (anfangs per Stativ), um die Efekte einzuschätzen.
Grundsätzlich kann man mit dem TS dann auch aus der Hand arbeiten, aber wirklich gut wirds nur vom Stativ, weil es beim Einstellen oft um Bruchteile von Millimetern geht.
Eine Gitterscheibe ist extrem sinnvoll, ebenso eine Sucherlupe oder ein Lichtschachtsucher (für F-1New oder F-1 alt).
Durch Lösen von vier Schrauben kann man die Zuordnung von Tilt- und Shiftfunktion in 90-Grad-Schritten verändern, also Verschieben und Kippen arbeiten in der gleichen Richtung oder um 90 Grad versetzt.
Am meisten Übung benötigt wohl die Belichtung. Das Objektiv arbeitet (da bauartbedingt keine Blendenautomatik eingebaut werden konnte) mit Arbeitsblendenmessung. Gemessen wird die Belichtung in Neutralstellung, dann wird das Objektiv verstellt und anschließend eventuell eine Belichtungskorrektur vorgenommen. Denn je stärker die Verstellung, desto stärker ändert sich der Lichteinfall.
Die Anleitung zum Objektiv (ist zu empfehlen) empfiehlt dann eine "Zugabe", wobei aber nicht definitiv geklärt ist, ob eine Zugabe an Licht oder eine Zugabe an Blendenschließung gemeint ist. Auch die Höhe wird offengelassen.
Aus dem Zusammenhang erschließt sich, dass man etwas überbelichten müsste, was aber meist nicht nötig ist. Ohnehin würde die Bildmitte dann doch etwas heller, aber nach meinen Erfahrngen ist das nicht so gravierend. Eine Belichtungsreihe (0, +1,5, +1) würde ich dennochempfehlen.
Das Ergebnis finde ich mit dem Shiftobjektiv deutlich natürlicher und besser als mit der Verzerrfunktion z.B. bei Photoshop, weil dort die Pixel auseinandergezogen und neue hinzugerechnet werden müssen. Man sieht das den Bildern durch nachlassende Auflösung in den gedehnten Bereichen an. Außerdem muss man bei Photoshop das Motiv zusätzlich nach Augenmaß in die Länge ziehen, was nicht immer klappt (Es sei denn, man hat vorher im Raster das Seitenverhältnis dokumentiert).
Von der Schärfe her ist das TS 35 auch sehr gut. Man muss aber darauf achten, dass beim Shiften die Tilt-Funktion genau auf 0 festgestellt ist (wenn man sie nicht braucht), weil das auch bei geringsten Abweichungen die Schärfeebene beeinflusst. Auch ein Abblenden auf mindestens 5,6, besser noch 8 oder 11 sorgt für sehr gute Ergebnisse und das Ausbpügeln von Einstellfehlern.
Eine sehr spannende, oft beschriebene, aber wohl von den Autoren nur selten selbst ausprobierte Funktion ist das Herumfotografieren um störende Laternenmasten oder das Eleminieren des eigene Kameraspiegelbildes aus einem Spiegel (z.B. bei Architekturinnenaufnahmen).
Das Objektiv bietet echten Spaß und die Rückkehr zu Fotografie pur.
Beim bloßen Einsatz von z.B. Mittelformatobjektiven fehlt oft die Tilt-Funktion. Das wäre aus meiner Sicht kein wirklicher Ersatz für das TS von Canon.
Die neuen TS-Objektive aus der EF-Reihe bieten dagegen gleich drei Brennweiten (24, 45 und 90mm) und zudem automatische Belichtungssteuerung, sind aber deutlich teurer.
LG Thomas