Die Geschichte der 21mm-Objektive (aus meiner persönlichen Sicht)
Beim Weitwinkelobjektiv ist der Strahlengang zu den mittleren Bildteilen bedeutend kürzer als derjenige zu den Bildrändern. Es machen sich daher starke Randverzeichnungen bemerkbar, indem die Randpartien übermäßig ausgedehnt werden.
Da sowohl der Weg der Lichtstrahlen vom Aufnahmeobjekt zum Objektiv als auch von diesem zur Bildebene bei ausgesprochenen Randstrahlen wesentlich länger ist als derjenige der mittleren Bildteile, zeigt sich bei Weitwinkelobjektiven ein spürbarer Lichtabfall von der Bildmitte zu den Rändern. Daher ist die Bildmitte gegenüber den Rändern stark überbelichtet, was man Vignitierung nennt. Man kann bei Weitwinkelobjektiven nicht das ganze Bildfeld ausnutzen, sondern nur einigermaßen gut ausgeleuchteten mittleren Teile.
Für kurze Schnittweiten sind symmetrische Bauweisen ideal. Diese Objektive haben natürlicherweise auf der Objekt- und der Filmseite hin die gleichen Brennweiten. Diese Objektive besitzen eine geringe Verzeichung aber eine starke Vignitierung. Ihre Lichtstärke ist meist gering (5,6 bis 8). Die Vignitierung lässt sich durch Center-Filter einschränken.
Das wohl berühmteste Weitwinkelobjektiv ist das Biogon 1:4,5/21mm von Carl Zeiss (Oberkochen), das im Oktober 1953 für die Contax vorgestellt wurde. Diese Objektiv galt und gilt auch heute noch als wahrer Meilenstein der Weitwinkelobjektive. Das 8-linsige (in 5 Gruppen) Objektiv ist nicht ganz symmetrisch, trotzdem ist es noch keine Retrofokuskonstruktion, die erst später erfunden wurde.
Die Leistung des Biogons war so überzeugend, dass es von Privatleuten in Leica-Fassung umgebaut wurde.
Übrigens wurden von Zeiss dann später Biogone mit einem Bildwinkel von 90° auch für andere Formate gerechnet. So gibt es ein Biogon 4,5/38mm für das 6x6, 4,5/45mm für das 6x7, 4,5/53mm für das 6x9 und 4,5/75 für das 9x12 cm² Format. Übrigens wurde die Lichtstärke des Biogons 21mm bei dem gegenwärtigen Contax D-System auf 2,8 erhöht.
Es sei noch erwähnt, dass die Hasselbad 903 SWC ein festeingebautes Biogon 4,5/38mm aufweist. Angemerkt sei noch, dass die normalen Weitwinkelobjektive von Zeiss immer mit Biogon bezeichnet werden und die Weitwinkelretofocus-Konstruktionen mit Distagon.
Das Biogon 21mm war in den Fünfziger Jahren eine Herausforderung für viele Objektivhersteller. Es gibt ein Minolta W-Rokkor 4/21mm (für SRT-Modelle mit zurückgeklapptem Spiegel + Sucher, Anfang ´70er Jahre) und ein Nikon Nikkor 4/21mm für die Nikon SP und die Nikon F (mit zurückgeklapptem Spiegel, 1959). Ich meine mich zu erinnern, dass es auch ein Olympus 21mm-Objektiv gibt.
Natürlich schielte auch Leica auf das Biogon. Selbst konnte Leitz kein 21er entwickeln, dazu fehlte offensichtlich die Erfahrung. Daher wandte man sich an Schneider/Kreuznach. Diese Firma entwickelte für Leica-M das Super-Angulon(typische Schneider-Bezeichnung) 4/21mm im Jahre 1958 (ca. 7000 Stk). Dieses 9-linsige Objektiv ist sehr gut bei mittleren Blendenwerten, aber mit wenig Kontrast bei voller Öffnung.
Das ebenfalls von Schneider entwickelte 8-linsige ebenfalls weitgehend symmetrische Super-Angulon 3,4/21mm hatte trotz der besseren Lichtstärke eine verbesserte Leistung bei offener Blende. Das ursprüngliche Objektiv kann an der M5 und CL nicht verwendet werden, da es sehr weit in den Kameraraum hineinreichte. Daher wurde spätere Exemplare zu deren Nutzung an M5 und Cl entsprechend mechanisch verändert.
Das Objektiv wurde auch zur Nutzung für die erste Leicaflex (mit zurückgeklapptem Spiegel und externem Sucher) umgebaut.
Da das aber so umständlich war, hat Schneider zur R eine 10-linsige Retrofocus-Konstruktion (1969)entwickelt, die aber nicht so gut war wie die normalen 21er, da man in dieser Zeit mit Retrofocuskonstruktionen noch keine großen Erfahrungen hatte. (Das erste Retrofocus-Objektiv ist übrigens das Flektogon 2,8/35mm von Carl Zeiss Jena für die Contax S)
Die erste Leitz-eigene Konstruktion candischer Prägung war das 8-linsige Elmarit 2,8/21mm (1980), ebenfalls eine Retrofocus-Konstruktion. Dieses Objektiv war in jeder Beziehung hervorragend, es kann auch an der M5 und CL verwendet werden.
Erst 1997 ist es durch das Elmarit 2,8/21mm asph gelungen, ein Leica-Objektiv vorzustellen, das dem legendären Biogon überlegen ist.
Gruß Jochen