Ich hatte diesen Kommentar eigentlich auf Wolfgangs letzten Beitrag in "Fremdobjektive zur Leica" entworfen. Beim Schreiben fiel mir auf, dass ich in meinem Kommentar nicht gut auf Wolfgangs Errungenschft eingegangen war. Daher habe ich ihn hierher positioniert.
Lieber Wolfgang,
wir beide sind sehr objektivverliebt. Allerdings unterscheiden wir uns doch beträchtich in der Vorgehensweise von einander. Während du den Besitz besonderer Objektive wirklich anstrebst, befasse ich mich nur gedanklich mit diesen Schätzchen (, was besonders geldsparend ist!
)
Allerdings hat sich bei mir in den letzten Jahren ein Wandel vollzogen. Während ich mich früher den Aufbau der Objektive (Konstruktion, Zahl der Einzellinsen, Zahl der Gruppen) interessiert habe, ohne über die Leistung des jeweiligen Objektivs informiert zu sein. Vielleicht hat man früher Objektive mehr aus einer emotionalen Sicht heraus betrachtet. Früher war ein Elmar, ein Tessar, ein Corlor-Skopar, ein Xenar oder wie die vierlinsigen Triplts auch immer hießen, berühmte Konstruktionen, deren Namen schon verrieten, dass es tolle Objektive waren. Später verschwanden die Namen, heute verwenden nur noch wenige Firmen (Leica, Zeiss, Schneider) Objektivnamen. Durch den Wegfall dieser Namen ist ein wenig Romantik für die Objektive verloren gegangen. Hinzu kam, dass die Objektive getestet wurden, dass der Öffentlichkeit die MTF-Kurven bekanntgegeben wurden. Dadurch verloren die Objektive ihr Geheimnis, ihre Mystik, ihr Aura.
Erwin Puts hat sich mit Leica-Objektiven auseinandergesetzt, er hat sogar alte ehrwürdige Schätzchen untersucht. Man musste feststellen, dass neue Objektive (mit neuen Rechnungen) oft wesentlich besser sind als berühmte alte. Als das Buch "Leica Lens Compendium" von Erwin Puts herauskam (habe ich mir natürlich sofort gekauft!) gab es von Rudolf Hillebrand, dem Herausgeber der kamerahistorischen Zeitschrift "Photo Deal" und Mitautor zu einem jährlich erscheinen Objektivauflistung eine herbe Kritik an diesem Buch. Ich habe mich in einem (natürlich nicht von Hillebrand veröffentlichten) Leserbrief über Hillebrands nicht sachgemäße Kritik beschwert. Hillebrand hat mir zwar persönlich in einem nichtssagenden Brief zurückgeschrieben, aber die eigentliche Begründung für den Verriss von Puts Buch habe ich erst später begriffen. Puts hatte die Leistung der Objektive durch seine Tests objektiviert, berühmte Objektive verloren dadurch ihre Aura, das konnte unmöglich im Sinne vom Kamera-Historiker Hillebrand sein.
Seitdem ich nun selber weiß, dass die Güte der Objektive meist eine Funktion der Zeit ist, aus der die Rechnungen stammen, habe ich meine Objektivpalette zu meinen M-Objektiven durch moderne Konstruktionen ersetzt. Die Romantik ist dabei natürlich verloren gegangen. Dafür werden meine Bilder heute aber auch besser.
Das soll aber, lieber Wolgang, dich nicht davon abhalten, alte begehrliche Objekive zu erwerben; denn ein weinig Romantik und Sehnsucht nach Vergangenem brauchen wir doch alle irgendwie.
Lieben Gruß zum Wochenende
Jochen