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Was 'lernt uns' ein Schärfentieferechner?

masi1157

Kennt den Türsteher
Moin!


Was´lernt uns´ ein Schärfentieferechner? Auf den ersten Blick sagt er nur folgendes: In der Fokusdistanz ist es optimal scharf, innerhalb des einfachen optischen Modells, das i.a. benutzt wird, sogar "perfekt scharf", die Unschärfe ist da also 0. An den Grenzen der Schärfentiefe, also an deren Nahpunkt und Fernpunkt, ist es gerade noch akzeptabel scharf. Wenn ich die Defokusunschärfe relativ zum zulässigen Zerstreuungskreis ausdrücke, ist die "relative Unschärfe" dort also 1. Zwischen diesen beiden Punkten ist es akzeptabel scharf, die Werte sind kleiner als 1, davor und dahinter ist es unscharf, also größer als 1. Mehr Informationen über den Schärfeverlauf gibt er nicht her! Aber fast alle ST-Rechner geben auch die hyperfokale Distanz an. Und auch, wenn man gar nicht vorhat, die zu nutzen, um besonders große Schärfentiefe zu erreichen, kann man diese Information nutzen, um den Schärfeverlauf abzuschätzen.

Die relative Unschärfe "in unendlich" ist einfach das Verhältnis aus HFD und der Fokusentfernung. Genauso unscharf wie in unendlich ist es auch bei der halben Fokusdistanz. Immer! Wenn mir der ST-Rechner eine HFD von 2m ausrechnet und ich fokussiere auch auf 2m, dann ist die relative Unschärfe im Hintergrund 2m/2m=1, also gerade noch akzeptabel scharf. Und bei der Hälfte der Fokusdistanz, also 1m, ist es auch gerade noch akzeptabel scharf. So weit ist das "Allgemeingut" (Schärfentiefe bei Fokus auf die HFD ergibt Schärfentiefe von HFD/2 bis unendlich). Aber dieser Zusammenhang gilt immer! Wenn ich auf 1m fokussiere, wird die Unschärfe im Hintergrund 2, und in 0,5m ist sie auch 2. Wenn ich auf 10m fokussiere, wird es im Hintergrund 0,2 (also schön scharf), und im 5m Entfernung wird es auch 0,2. Und so weiter. Und auch noch ähnlich einfach ist es bei 2/3 und 2x der Fokusdistanz. Da ist es immer halb so unscharf wie bei unendlich. Und zu größeren Entfernungen bleibt es so einfach: in der 3-fachen Fokusdistanz ist es 2/3 (67%) so unscharf, in der 4-fachen 3/4 (75%), in der 10-fachen 9/10 (90%) usw. So, und damit haben wir genug Informationen zusammen, um den Unschärfeverlauf halbwegs abzuschätzen.

Und das geht so. Ich habe gleich mal ein Beispiel unten angehängt, wie das dann aussehen könnte. 1. Achsenkreuz zeichnen, Entfernung auf der x-Achse, rel. Unschärfe auf der y- Achse, eine Linie bei y=1 ziehen (Diagramm 1) 2. Schärfentieferechner anwerfen, Brennweite, Blende, zulässigen Zerstreuungskreis eingeben 3. Der ST-Rechner antwortet mit der HFD, im Beispiel unten 5m 4. Fokusdistanz eingeben (Beispiel: 1m), der ST-Rechner antwortet mit Nahpunkt 0,83m und Fernpunkt 1,25m 5. Diese 3 Punkte ins Diagramm eintragen (Diagramm 2) 6. HFD durch die Fokusdistanz teilen (Beispiel 5m/1m=5), Linie bei y=5 ins Diagramm zeichnen (Diagramm 3) 7. Punkte eintragen bei der halben Fokusdistanz (Beispiel 0,5m) und der Unschärfe wie in unendlich (Beispiel: 5) und bei 2/3 und 2x der Fokusdistanz (Beispiel 0,67m und 2m) und der Hälfte der Unschärfe wie in unendlich (Beispiel: 2,5) (auch Diagramm 3). Wer möchte, zeichnet weitere Punkte bei der 3-fachen Fokusdistanz (67%), der 4-fachen (75%) usw. ein, das habe ich mir hier gespart. 8. Durch die mittlerweile 6 oder mehr Punkte eine elegante Linie zeichnen, die sich rechts (in "unendlich") langsam der Unschärfe in unendlich (Beispiel: die obere Linie bei 5) annähert (Diagramm 4) 9. Fertig! Kommt Euch das bekannt vor? Wenn nicht, googelt mal nach "cBlur". Hier im Büro kann ich's nicht verlinken und heute abend zuhause kann ich's hier nicht mehr nachtragen.

Mein kleines Diagramm hier, ganz genau wie auch die Diagramme von cBlur, bezieht alles auf den zulässigen Zerstreuungskreis zzul. Bei vielen ST-Rechnern ist der als 1/1500 der Sensordiagonale voreingestellt, was ungefähr richtig ist, wenn man sein ganzes Foto aus einer Entfernung betrachtet, die etwa seiner Diagonale entspricht. Geht man mit der Nase näher ran oder macht man stärkere (Ausschnitt-) Vergrößerungen, oder hat man andere Schärfeansprüche, dann muss man zzul eben anders wählen. Aber das ist eine andere Geschichte.

Die HFD kann man relativ einfach selber im Kopf ausrechnen, wenn man möchte (=Brennweite²/Blendenzahl/zzul, den fehlenden Term +Brennweite unterschlage ich einfach, der macht "den Kohl nicht fett") und kommt dann zu einem Diagramm, ohne überhaupt einen ST-Rechner zu bemühen. Nur die genauen Werte von Nah- und Fernpunkt hat man dann nicht, aber man könnte sie nachträglich im Diagramm ablesen. Und das ist allemal genau genug.

Die HFD wird hier ja nur genutzt, um die relative Unschärfe in unendlich auszurechnen. Das geht aber auch anders, wenn man den Abbildungsmaßstab in der Fokusebene und die Größe der Eintrittspupille (=Brennweite/Blendenzahl) kennt. Die Größe der Unschärfescheibchen in unendlich ist nämlich einfach Eintrittspupille x Abbildungsmaßstab. Das muss man dann noch auf zzul beziehen und kommt auch ohne die HFD zum Ziel. I.a. wird man aber wohl eher Brennweite und Fokusdistanz kennen.

Und noch was: Nein, ich benutze weder Schärfentieferechner, noch Diagramme und Tabellen beim fotografieren, und ich propagiere auch nicht, dass Ihr das tun sollt. Ich mache und zeige das nur, um Zusammenhänge verständlich darzustellen.


Gruß, Matthias

st-grafikselbermachenhmqr5.jpg
 
Ich habe das auch noch nie gemacht und werde es auch nicht. Ich mache es aus dem Bauch oder mit dem Abblendknopf oder mache dann halt ein paar Aufnahmen mit unterschiedlicher Blende.

Das Fotografieren ist ein kreativer Akt. Man sollte die Zusammenhänge von Blende und Zeit und die Wirkungsweise von der Brennweite kennen. Dann hat sichs mit der Theorie.
Wer es nicht versteht und es noch nicht kann, soll (muss) üben, probieren, üben, probieren oder in der umgekehrten Reihenfolge.

Ja, ich finde die Theorie interessant und faszinierend. Es ist immer erstaunlich, wie so "Zeugs" zusammenpasst. Aber auch dann hat sichs.
Und irgend wann mal macht man es intuitiv, hat so ein Bauchgefühl.

Heute finde ich ganz andere Punkte viel wichtiger, Punkte, welche mir helfen "gute" Bilder zu machen, könnte man sagen.

Also, trotzdem oder deshalb erst Recht, Danke für diese Infos.
 
Doch, als einer dessen Lieblingsfächer in der Schule Mathe und Physik waren, und als einer der sich bei Schulaktivitäten am Gymnasium der Tochter den ganzen Tag mit dem Physiklehrer unterhält, ist diese Theorie für mich sehr interessant. Dennoch, beim Fotografieren dient die nur als Hilfsmittel, ansonsten halte ich es da wie Dieter: die Abblendtaste entscheidet! Früher, als Fehlversuche teurer waren, habe ich da mehr überlegt. Mein Steckenpferd damals war der Schwarzschildeffekt. Ich glaube, ich hätte echt Probleme mich da heute wieder rein zu denken.

Gruß
Jürgen
 
Moin,

ich finde Schärfentieferechner auf dem Smartphone oder als Scheibenrechner als Anhaltspunkt durchaus hilfreich, wenn's ums hyperfokale fokussieren geht.

Da will ich mich auf's Motiv konzentrieren und nicht rechnen ;)


Gruß Jan
 
Moin!


Nun ging es mir hier nicht darum, ob man nun beim Fotografieren Schärfentieferechner oder -tabellen benutzen soll oder nicht. Wer möchte, soll das ruhig tun. Mir geht es darum, die Zusammenhänge zu verstehen und verständlich darstellen zu können. Und ich finde, man darf das ruhig verstehen und ggf. anwenden, ohne dass dadurch das Fotografieren weniger kreativ würde. Im Gegenteil, auch die Beschäftigung damit kann durchaus kreativ sein. Mir hat es jedenfalls "kreativen Spaß" gemacht, die oben gezeigte Methode zu finden und darzustellen.

Nein, im wesentlichen wollte ich zeigen, wie wenig Information ein Schärfentieferechner eigentlich preisgibt. Und trotzdem werden die bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit verlinkt und empfohlen. Zur meistens viel wichtigeren Frage als der nach der eigentlichen Schärfentiefe, nämlich nach der Unschärfe im Vorder- und Hintergrund und in verschiedenen Entfernungen, macht ein ST-Rechner keinerlei Angaben. Dabei braucht man dafür gar keine weiteren Eingaben und kann sich die Frage mit ganz wenig zusätzlichem Wissen selber beantworten. Und dafür kann man ein paar mal auf Papier mit so einem Diagramm üben, oder man kann sich den Kurvenverlauf "vor dem inneren Auge" vorstellen. Man muss ihn natürlich auch deuten können.


Gruß, Matthias
 
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