Jetzt ist diese Diskussion zwar schon über zwei Jahre alt – doch die Frage ist eine generelle. Und die Antworten dazu waren bisher alle falsch. Um hier also ein paar Dinge richtigzustellen ...
Und zwar geht es um den Einfluß der Sensorgröße auf die Gestaltungsmöglichkeiten mit der Schärfentiefe. Kurz formuliert hat man mir bei einem Fachhändler erklärt, daß je kleiner der Sensor, desto geringer die Gestaltungsmöglichkeiten.
Da steckt zwar ein wahrer Kern darinnen, doch so verkürzt formuliert ist das nicht ganz richtig.
Richtig ist, daß man mit kleineren Sensoren (oder Filmformaten) unter äquivalenten Bedingungen mehr Schärfentiefe bekommt als mit größeren. Das ist für manche Bildabsichten gut (z. B. Landschaft, Architektur, Makro), und für andere schlecht (z. B. Portrait). Das allein bedeutet keinerlei Verringerung der Gestaltungsmöglichkeiten, sondern erst einmal nur eine Verschiebung derselben – ob zum besseren oder schlechteren, hängt ganz von der Bildabsicht ab.
Allerdings hat man bei kleineren Bildformaten gewöhnlich eine kleinere Zahl sinnvoll nutzbarer Blendenstufen zur Verfügung, weil man bei kleineren Formaten wegen der Beugung nicht so weit abblenden kann wie bei größeren, und weil zugleich die größten zur Verfügung stehenden Blendenöffnungen bei kleineren Formaten nicht größer sind als bei größeren (jedenfalls nicht bei Kleinbild und kleineren Formaten). Das schränkt tatsächlich die Gestaltungsmöglichkeiten ein ... doch praktisch relevant ist das im wesentlichen nur bei Digi-Knipsen mit ihren
sehr kleinen Formaten. Bei einer Leica M8 (Formatfaktor 1,33×) oder einer APS-C-Kamera (Formatfaktor 1,5×) im Vergleich zum Kleinbildformat hingegen spielt dieser Effekt kaum eine praktisch wahrnehmbare Rolle.
Heißt das im Umkehrschluß, daß die M8ler das Problem haben, daß
a) die Schärfeskala auf den Objektiven nicht mehr stimmt?
Ja, allerdings. Doch ist der Fehler so gering, daß er in der Praxis fast schon vernachlässigbar ist. Wer es genau nimmt, liest die Schärfentiefe an der Skala einfach bei der Blende ab, die um eins größer ist als die tatsächlich eingestellte. Aber ganz genau genommen führt das bereits wieder zu einer Überkompensierung des Fehlers.
Heißt das im Umkehrschluß, daß die M8ler das Problem haben, daß
b) ich z. B. mit einem 50-mm-Objektiv an der M7 mehr Schärfentiefegestaltung habe, als wenn ich das Objektiv an der M8 verwende?
Nein. Der Gestaltungsbereich verschiebt sich lediglich (und zwar um eine praktisch nahezu unmerkliche Winzigkeit), bleibt aber nahezu gleich groß.
Mir ist nicht ganz klar, ob nicht der Crop-Faktor, der ja aus dem 50er an der M7 ein 65er an der M8 macht, dort Ausgleich schafft?
Der "Crop-Faktor" heißt auf deutsch Formatfaktor, er macht aus einem 50er kein 65er (ein 50er ist niemals irgend etwas anderes als ein 50er), sondern er verringert den genutzten Bildwinkel, und er schafft hinsichtlich der Schärfentiefe keinen Ausgleich, sondern ist im Gegenteil die Ursache für die sich ergebenden Unterschiede.
Man darf diese Unterschiede aber nicht überschätzen. Ist der Formatfaktor zwischen zwei Kameras nicht größer als etwa 2×, so sind die sich daraus ergebenden Unterschiede der Schärfentiefe-Gestaltungsmöglichkeiten so gering, daß sie in der Praxis kaum eine Rolle spielen. Anders sieht es aus, wenn der Formatfaktor eine Größe von z. B. 4×, 5× oder 6× erreicht – wenn man also etwa eine Kleinbildkamera mit einer 1/2,5"-Digiknipse vergleicht ... oder eine APS-C-Kamera mit einer Mittelformatkamera.
Die Schärfentiefe eines Objektivs ändert sich natürlich nicht, egal ob am VF oder Crop. [...] Das heißt, ein 50er mit seiner spezifischen Schärfentiefe bei gleicher Blende und Entfernung behält diese auch am Crop.
Diese Aussage ist falsch!
Ein Objektiv hat keine "spezifische Schärfentiefe". Die Schärfentiefe ergibt sich stets für das von dem Objektiv erzeugte Bild – und hängt damit nicht nur vom Objektiv, sondern selbstverständlich auch von der Größe des Bildes ab. Somit erhält man sehr wohl unterschiedliche Schärfentiefe, wenn man dasselbe Objektiv an Kameras mit unterschiedlichen Aufnahmeformaten benutzt.
Heißt das für die Praxis im Falle M8: Wenn ich an der M8 ein 35-mm-Objektiv verwende, bleibt der Schärfentiefebereich des Objektivs erhalten, nur begrenzt auf den Ausschnitt einer 50-mm-Brennweite.
Nein. Bei gleicher Brennweite, gleicher Distanz und gleicher Blende bekommst du mit dem kleineren Aufnahmeformat einen kleineren Ausschnitt (also ein anderes Bild) und eine
kleinere Schärfentiefe.
Wenn ich das so richtig interpretiert habe, müßte ich theoretisch mit der M8 halt meinen Abstand zum Motiv vergrößern, um damit den Ausschnitt zu vergrößern (adäquat zum 35 mm analog), und ich hätte von digital zu analog keine Unterschiede in der Schärfentiefe des Bildes?
Nein. Bei gleicher Brennweite, äquivalenter Distanz (so daß der Bildausschnitt in der Schärfenebene gleich bleibt) und gleicher Blende bekommst du mit dem kleineren Aufnahmeformat eine andere Perspektive (also ein anderes Bild) und eine
größere Schärfentiefe.
Um jetzt auch gleich noch den dritten Fall zu erwähnen: Bei äquivalenter Brennweite (so daß der Bildausschnitt gleich bleibt), gleicher Distanz und gleicher Blende bekommst du mit dem kleineren Aufnahmeformat das gleiche Bild (also gleicher Ausschnitt und gleiche Perspektive) und eine
größere Schärfentiefe.
Wenn ich mal den Abbildungsmaßstab als fest definiere, also z. B. ein Gesicht formatfüllend ...
... dann wäre nicht der Abbildungsmaßstab, sondern das Bildfeld konstant. Der Abbildungsmaßstab würde bei konstantem Bildfeld mit dem Aufnahmeformat variieren.
... so werde ich mit dem gleichen Objektiv an der M8 mehr Schärfentiefe erhalten (wegen größerer Distanz) als an einer M7. Ich bin also in meinen Möglichkeiten der "Freistellung" von Motiven beschränkter bei der M8.
Das ist richtig. Doch der Unterschied wäre minimal und nur im direkten Vergleich erkennbar (wenn überhaupt). Und die Perspektive wäre eine andere – was bei mehr oder weniger flächigen Motiven keinen nennenswerten, bei tiefengestaffelten Motiven aber einen großen Unterschied ausmachen kann.
Darf ich noch das Thema ein wenig erweitern ...
Au weia.
... es kommt noch ein Umstand hinzu: die Größe der jeweiligen Pixel des Sensors.
Nein, dieser Umstand kommt nicht hinzu, denn die Pixelgröße (genauer: der Pixelabstand) spielt für die Schärfentiefenverhältnisse überhaupt keine Rolle.
Dem nicht genug, sind Objektive immer ein Kompromiß in der Berechnung zwischen Brennweite und Blende. Optimale Ergebnisse gibt es nur bei einer Blendenstellung (und damit einer gegebenen Tiefenschärfe) – in der Hoffnung, daß die Unterschiede nicht auffallen bzw. nicht vom Fotografen ausgereizt werden, sonst schimpft er über Unschärfe.
Entschuldigung, aber diese Aussage ist weitgehend bedeutungsloses Technogebabbel. Richtig ist lediglich, daß Objektive eine optimale Blende besitzen (oder mehrere, je nach genauer Definition), bei der ihre Abbildungsleistung maximal ist. Doch hat dieses Faktoid ebenso viel mit dem Thema dieser Diskussion zu tun wie der Pixelabstand – nämlich absolut gar nichts.