Hallo Ando (und alle anderen),
Danke für deinen begeisterten und begeisternden Beitrag.
Zu der damaligen Zeit waren diese Kameras wirkliche
Meilensteine und sie funktionieren sogar ohne Strom, obwohl das eigentlich ein Argument ist, über das sich etliche Kritiker lustig machen (auch Günter Richter angesichts der neuen AE-1 Kameras, dass Batterien wohl der geringste Problemfaktor seien weil die auch im entlegendsten Weltwinkel immer zur Hand seien). Ich habe schon Sonntage erlebt, an denen meine Batterievorräte doch unerwartet erschöpft waren, und sei es nur, weil die Reserve plötzlich überaltert oder entladen war. Damals waren die Läden sonntags noch zu und Tankstellen verkauften tatsächlich nur Benzin und Diesel. Doch ich schweife schon wieder ab.
Man muss versuchen, sich in die damalige Zeit zurückzuversetzen, als man Jahrelang auf wirklich neue technische Entwicklungen warten musste und Kameras wie die F-1 satte zehn Jahre lang unverändert der Masstab blieben (dann wurde es aber auch Zeit).
Messsucherkameras mit Wechselobjektiven waren neben den einfachen Rollfilmkameras, den zweiäugigen Mittelformatkameras (Rolleiflex etc) und den großformatigen Platten- und Planfilmkameras Jahrzehntelang die einzigen Kameratypen (Exoten mal ausgenommen).
Canon baute von Oktober 1935 bis etwa 1970 (die Angaben schwanken) serienmäßig Kleinbild-Messsucherkameras mit Wechseloptik (und daneben Filmkameras, Projektoren, Tischrechner etc), danach bis heute einfache Messsucher- oder Sucherkameras mit festem Objektiv und später Zoomobjektiv.
Die Canon-Messsucherkameras der ersten 35 Jahre fußten auf dem Leica-Prinzip, besaßen aber einige interessante Eigen- und Weiterentwicklungen. Ich will da nicht zu sehr ins Detail gehen, aber sie waren zu ihrer Zeit sehr komfortabel und leistungsstark (bis auf die mitunter grauenvollen Sucher).
Diese Kameras besaßen
Objektive zwischen 25 und 135mm Brennweite sowie (mit Spiegelkasten) bis zu 1000 mm Brennweite.
Die Sucher waren teilweise so wie bei Leica (mit eingespiegelten Rahmen), teilweise aber auch mit tatsächlich veränderter Suchervergrößerung (die Modelle um 1950 und z.B. die gefragten Modelle VI-L und VI-T um 1957). Erst mit der Canon P sowie den letzten beiden Modellen 7 und 7s bzw. 7sz verzichtete man aus Kostengründen darauf und blieb bei den eingespiegelten Begrenzungen, was vor allem bei Fußballfotos seine Vorteile hatte (man sah, wer gleich ins Bild läuft. Bei Spiegelreflex muss man dazu heute das zweite Auge offen lassen).
- Canon - Canon EOS D60
- 117.0 mm
- ƒ/6.3
- 1/25 sec
- Pattern
- Manual exposure
- ISO 200
Canon IVSb2 von 1954-1956 mit verstellbarer Suchervergrößerung
Zudem gab es Aufstecksucher für den Sucherschuh (daher übrigens der zweite Name für den Zubehörschuh) von 25 bis 135mm, teilweise sogar mit Zoomfunktion.
Das Wort Sucher wäre bei diesen Kameras besser ersetzt durch den englischen Begriff viewfinder, also soviel wie Ausschnittfinder/sucher.
Denn der
Hauptunterschied zwischen
Messsucher (= Messen der Entfernung)
und Spiegelreflexsucher liegt darin, dass man die Schärfeebene exakt erkennen kann, so wie sie später auch im Bild liegt. Beim Messucher ist alles scharf, je nachdem wohin man blickt, weil es keine mattscheibe gibt. Daran muss man sich als Umsteiger gewöhnen. Dafür schluckt der Messuscher kein Licht und ist immer optimal hell. Selbst im Dunklen kann man damit noch scharfstellen und sogar das Zielfeld in der Mitte vergrößern (bei einigen Canon-Typen).
- Canon - Canon EOS D60
- 65.0 mm
- ƒ/6.3
- 1/25 sec
- Pattern
- Manual exposure
- ISO 200
Canon VI-L von 1958-1961 mit verstellbarer Suchervergrößerung von 35 bis 135mm und Möglichkeit zum Belichtungsmesseranschluss
Das Arbeiten mit Messsucherkamera und Spiegelreflex ist grundverschieden und unterliegt jeweils einer
eigenen Philosophie. Wer zuerst mit Spiegelreflex fotografiert und das andere Prinzip nicht kennt, wird sich an den Kopf fassen nach dem Motto: Da ist doch nichts zu erkennen, wie werden die Bilder bloß?
Das war es auch, was ab Mitte der 50er Jahre (bei Canon ab 1959) den Siegeszug der Spiegelreflexkameras einläutete und die Messucherkameras (bis auf Leica, den Ableger Minolta CLE, Mamyia und wenige andere) aussterben ließ. Die Mattscheibe erleichterte die Bildkontrolle ungemein, machte das Fotografieren aber auch etwas umständlicher, weil man doch immer mehr Anzeigen im Sucher im Auge behalten und deshalb eigentlich ständig durchschauen musste/muss.
Die Messuscherkameras erfordern das Einstellen aller Werte vor dem Fotografieren, was auch keinProblem ist, weil sich die Beleuchtung z.B. einer Landschaft nicht spontan um mehrere Blendenstufen ändert (Ausnahme Wolkenlöcher). Man benutzte einen Belichtungsmesser mit Licht- statt Objektmessung und war damit auch immun gegen unterschiedliche Reflexionen von Schnee und Kohle, wenn man das entsprechend in der Grundeinstellung berücksichtigte. Bis heute versuchen die Hersteller diese Problematik durch immer ausgefeiltere Rechenmethoden hinzubekommen (erst recht beim Blitzen) und haben Jahrzehnte gebraucht, um es heute (mit enormem Aufwand) einigermaßen zu schaffen (EOS-Mehrfeldmessung).
Allerdings: Die
Genauigkeit reichte für Schwarzweiß- und Farbnegativfilme aus, bei Diafilmen wirken sich Messfehler (aufgrund des Messwinkels) und die größer gewordenen Toleranzen der 30 bis 60 Jahre alten Kameras aus. Nachdem ich mit Diafilm in den Messsucherkameras bis zu 30 Prozent falsche Belichtungen hatte, nutze ich möglichst vorwiegend Negativfilme, die Ergebnisse hauen mich immer wieder um, was die Schärfe angeht (die Objektive hatten bedeutend weniger Linsen als die heutigen überzüchteten Konstruktionen).
Beim
Fotografieren mit der Messucherkamera weiß man, welchen Bildwinkel das eingeschraubte Objektiv liefert, man beobachtet sein Motiv und wenn das Bild da ist, wenn man es vor sich sieht, hebt man nur noch die Kamera hoch und löst aus. Es gibt zwar auch hochgeöffnete Objektive, aber mit vorgewählter Blende 5,6 oder 8 liegt man meist richtig. Wenns auf genaue Scharfstellung mit Blende 1,2/50mm oder 1,8/85 ankommt, macht auch das kein Problem, weil der Messsscher das exakt schafft, solange er noch richtig justiert ist. Mit etwas Übung geht auch das sehr fix und auch im Dunkeln - nur die Schärfentiefeanzeige fehlt, man hat allerdings eine indirekte am Objektiv.
Wie gesagt,
zwei völlig verschieden Welten. Wer sich aber mal die Bilder berühmter Fotografen der 50er und 60er jahre und auch aus dem Vietnam-Krieg ansieht, sind viele davon mit Messucherkameras gemacht und sie wirken nicht schlechter als Sopiegelreflexfotos.
Wie schon jemand vorher schrieb - es kommt in der Regel nicht auf die Kamera an, sondern auf den Fotografen (okay, mit einer 120er Boxkamera kann man keine Großansicht des Mondes aufnehmen).
Ganz was anderes:
Zum Thema Einstellscheiben. Dass man sehr vorsichtig sein muss, um die Einstellscheiben richtig zu platzieren, gilt für alle EOS-Kameras und die A- und T-Kameras mit Wechselscheiben, weil diese mit einem Pinzettchen von unten in den Sucherkasten bugsiert werden müssen. Als ich das das erste Mal sah, habe ich den Kopf geschüttelt. Wie kann man darauf nur kommen? Aus Kostengründen eben...
In die F-1 alt und die F-1New dagegen lassen sich die Scheiben nach Abnahme des Suchers von oben auf exakt definierte Führungsschienen legen, die keinen Spielraum für Wackelei lassen. Die Scheiben sind dort bombenfest festgeklemmt und müssen mit dem Daumennagel wieder herausgeholt werden. Notfalls kann man die massiven Glasklötze auch mit Handschuhen wechseln, obwohl ich das nicht unbedingt riskieren würde, weil sie runterfallen könnten. Das verzeihen die Glasteile weniger gut als die Kunststoffscheiben...
Aber Schärfenprobleme? Nie.
Dann
zum Servosucher: Das ist ein schönes Teil und war einmalig, als Canon es 1971 als Blendenautomatik-Zubehör zum automatisierten Fotografieren für die alte F-1 präsentierte. Wobei die Betonung auf automatisiertem Fotografieren lag, deshalb auch mit Zeitschaltuhr am Motor.
Für mobiles Fotografieren ist das Teil zu langsam. Es macht zwar Spaß, dass Surren der Mechanik und die Bewegung der Sucherkelle zu verfolgen, aber schnell im heutigen Sinne ist etwas anderes. Zudem geht mit dem Servosucher die Selektivmesung verloren, was allerdings im Endeffekt auch sinnvoll ist.
F-1 alt mit Servosucher, Motor MD, Batterieteil und Langfilmmagazin
Das Biest ist dann (ich habe mir irgendwann 1984 über meinen Fotohändler für über 700 DM einen der letzten Sucher bei Canon geordert) ganz schön unhandlich, macht aber Mordseindruck, vor allem mit einem Motorantrieb, den man tunlichst dazu haben sollte. Denn das eigentliche Problem ist die Stromversorgung.
Man benötigt einen separaten Batteriebehälter mit Kabelanschluss (Vorsicht, es gibt verschiedene Ausführungen für verschiedene Gerätekombinationen) oder einen Motor MF oder MD, wiederum mit verschiedenen Anschlussmöglichkeiten.
Am sinnvollsten ist der Motor MF mit dem kurzen Verbindungskabel MF, das aber sehr schwer zu bekommen ist und sehr empfindlich ist (mir sind schon im ersten Jahr zwei Stück durch Kabelbruch hinübergegangen).
Wirklich sinnvoll ist dagegen der schwenkbare
Sportsucher, auch wenn das Sucherbild sehr klein wird und Gewöhnung erfordert.
Der
Zeitautomatiksucher Booster T-Finder zur F-1 alt ist praktisch nur für Dämmerungsaufnahmen sinnvoll, weil zum Messen und Belichten das Sucherokular geschlossen werden muss und der Zeitenbereich auf die Langzeiten eingeschränkt wird. Das normale Messystem der Kamera ist dann abgeschaltet, man kann also nicht entweder oder fotografierten sondern muss jedesmal den Sucher umbauen.
Das soll erstmal zur Aufhellung reichen, ich muss zum Job.
LG, Thomas